Hitzefrei!

Schwimmbad meiner Kindheit (Postkarte)

Schwimmbad meiner Kindheit (Postkarte)

Nach meiner Rückkehr aus Potsdam blieb mir noch eine gute Woche relativer Kühle, bis vor ein paar Tagen die nächste Hitzewelle (Yvonne?) über uns kam. Mit ihr wurde heute erneut der deutsche Hitzerekord gebrochen. 42,6° in Lingen im Emsland!

Zu meinen Schülerzeiten waren die sommerlichen Temperaturen vor allem mit dem einen magischen Wort verbunden: Hitzefrei! Ihm galt alles Sehnen und Streben.

Zum Hitzefrei musste der Hausmeister der Schule zu einem bestimmten Zeitpunkt, – ich denke, es war gegen 11:00 -, ein Thermometer ablesen, das hoffentlich einen Grenzwert, vielleicht 25° im Schatten, überschritten hatte, daraufhin mit dem Direktor sprechen und endlich von Klassenraum zu Klassenraum gehend, das erlösende Wort verkünden, auf das ich und alle anderen den ganzen Morgen gewartet hatten. Ich sehe den Hausmeister noch heute vor mir.

Entbunden von den ohnehin langweiligsten Schulstunden, wie Erdkunde oder Sport, die gerne in den Mittag fielen, konnte ich mich auf mein Fahrrad schwingen, sachte den Berg hinabrollen und das einzig schönste Freibad meiner Kindheit ansteuern, wo vielleicht schon meine Mutter mit dem Kunstlehrer, Herrn Krämer, am Beckenrand saß, in eine Diskussion zu meinem eigensinnigen Verhalten im Kunstunterricht vertieft. Denn, anders als meine Mitschüler, die Kunst allenfalls als Dreingabe betrachteten und nahe am Sport Gleichgültigkeit entgegenbrachten, kursierten in mir eigene Ideen zu den Themen und Aufgaben, die uns der Lehrer stellte, die ich dann mit durchaus kindlicher Ungeschicktheit zu torpedieren wußte. Zur Abneigung des Lehrers, der wiederum kurzerhand meine Mutter zur Rede stellte. Die Wege in dem kleine Ort waren kurz.

Wenn meine Eltern in der Regel den Anforderung der Schule große Bedeutung beimaßen, die einzelnen Lehrer dagegen gerne als inkompetent und doof hinstellten, eine leicht paradoxe Haltung, die mir so manches Ungemach bereitete, so stellte meine Mutter sich dem Kunstlehrer doch aus dem Grund entgegen, weil sie meinem aufkeimendes Künstlerwesen die entsprechende Anerkennung wünschte, zumal der Kunstlehrer in seiner Freizeit als Lokalkünstler auftrat. Seine Lehrerseele wollte jedoch die zarte Infragestellung seiner Autorität nicht dulden, weswegen er sich bei passender Gelegenheit mit meiner Mutter diskutierend im örtlichen Freibad wiederfand.

Dass er irgendwann klein beigab und meine Renitenz akzeptierte, lag sowohl an der Hartnäckigkeit meiner Mutter, die zu belegen wußte, dass meine Sturheit mehr als nur kindlicher Unwillen, sondern ernsthafte Auseinandersetzung mit der Sache bedeutete, wie in der Einsicht begründet, dass ein solches Verhalten seinem Ego letztlich schmeichelte, mochten doch Schüler, Eltern und auch die Kollegen seinen Kunstunterricht eher entbehrlich finden. So kam es, dass ich dann mit einem leeren Blatt vor ihn treten durfte, worauf er mich streng ansah und fragte: Na, hat Dir die Aufgabe nicht gefallen? Dann bekommst Du eine 4., die er umgehend in sein Notizbuch einschrieb. Spätere Kunstlehrer zeigten sich da weniger gnädig.

Kühles Nass

Tonteichbad Wohltorf

Tonteichbad Wohltorf

Zurück zur Hamburger Hitze, die mir ebenso, wie damals, nahelegte, ein Freibad aufzusuchen. Ohne Kunstlehrer, freilich. Wie schon in diesem Blog gelegentlich bemerkt, mangelt es in Hamburg nicht an erfreulichen Badestellen, nur die Anreise gestaltet sich regelmässig lang und beschwerlich, besonders, wenn, wie neulich in Kiwittsmoor, ein Teil der Bahn durch Busse ersetzt wurde. Aber auch ohne solche Hindernisse war ich heute zum Tonteichbad Wohltorf von Tür zu Tür gut 1 Stunde und 20 Minuten unterwegs. Auf dem Rückweg sogar länger. In der heißen S-Bahn verging somit der erfrischende Effekt des Badesees umgehend, so dass ich zu Hause gleich wieder schweißnass unter die Dusche fiel.

  

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