Konversation Kunst Archive

gespraechsrunde 1888-2

Gesprächsrunde in der FRISE. (Dieses Foto hat eine ungefähre Halbwertszeit von 5 Jahren.

Notizen von der dritten Konversationskunst im Künstlerhaus FRISE.

Beiläufiges Gespräch zwischen Dieter (76) und Kurd (86) über das Alter. Dieter berichtet davon, wie hart es ihm ergangen war, als er merken musste, dass er als Künstler aufgrund seines Alters im Kunstbetrieb keine Anerkennung mehr erfahren würde. Zwischenzeitlich habe er aber Zweifel und Kümmernisse hinter sich lassen und eine neue Freiheit erleben können. Momentan beschäftige er sich mit Ordnung und Archivierung seines Werkes in digitaler Form. 5 CDs denke er hinterlassen zu können. Die nähmen in einer Bibliothek nicht viel Platz weg.

Wir sprechen über Natur und Bedingungen der Archive. Die materielle Hinfälligkeit jeglicher Form physischer Dokumente. Tilo gibt zu bedenken, die meisten Datenträger hielten kaum mehr als 5 Jahre. Und wie lange wird es entsprechende Lesegeräte geben?

Sinn der Archive

Schliesslich die Sinnhaftigkeit des Glaubens mit der Aufnahme in die Archive Bedeutung über unseren Tod hinaus erlangen zu können. Wer wird das später noch lesen oder betrachten? In einer Zeit, in der permanent alles dokumentiert und in die Cloud geladen wird. So fragt der Medienwissenschaftler Mark Fisher:

Denken wir wirklich, die nachfolgenden Generationen seien nicht zu sehr mit ihrer eigenen Archivierungen beschäftigt, als dass sie noch unsere Archive sichten könnten?

Was erwarten wir von den Archiven? Welche Hoffnung verbinden wir mit ihnen?

Geht es nicht um die versteckte Bitte nach Unsterblichkeit? Bedeutet die Aufnahme und der Fortbestand in den Archiven nach dem Ende der Metaphysik nicht die einzige Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tode? So gering die Chance auch sein mag.

Was wäre die Alternative? Schon Nietzsche warnte davor, die historische Betrachtung mache uns zu Zuschauern statt Handelnden des eigenen Lebens. Könnten wir ahistorisch leben?

Was noch wünschen?

Dass hinter all dem auch die Suche nach Anerkennung steckt, hatte Heidi schon zu Beginn des Gesprächs vermerkt und in eine bedeutsame Frage gekleidet:

Was kann man berechtigterweise für sich (noch) wünschen?

Wo bleibt das Wünschen privat, wo wird es politisch?

Müssen wir uns denn damit abfinden, dass alte Menschen (nicht nur alte Künstler) in unserer Gesellschaft keine Rolle mehr spielen? Müssen wir hinnehmen, dass der Kunstbetrieb keine Notiz von uns nimmt und wir unsere Hoffnung an ein paar CDs hängen? Könnten wir nicht eine andere Gesellschaft, eine andere Kunst wünschen?

Ich finde, die politische Dimension des Wünschbaren eröffnet eine ungeheuerliche Fragestellung. Ich werde ihr auch in meiner Radiosendung am kommenden Freitag nachgehen:

— Stefan Beck – das Seminar ==> Archiv und Wunsch
— Freitag, den 8.5. 2015 – 16 Uhr

Nächstes Treffen zur Konversationskunst am Samstag, den 6.6. 2015.

  

2 Gedanken zu „Konversation Kunst Archive

  1. Sabine Pint

    Hallo Stefan,
    ja, gerne stelle ich die Frage neben facebook auch noch einmal hier:
    Woher nimmst Du das Gefühl der Berechtigung für Deine Ansicht (oder wahlweise die Deiner Ex-Freundin, die Deines Erachtens auch eine Professur verdient hätte) und was nährt das Gefühl, dass andere die Berechtigung nicht hätten oder haben?

    Das Gespräch zwischen Dieter und Kurd bestätigt wiederum MICH in einer meiner Ansichten: dass es um das „nach mir“ im Leben und der Kunst nicht gehen kann, eben weil die Menschen „nach mir“ mit dem eigenen Leben beschäftigt sind.

    Ich denke, es geht um das authentische Füllen des eigenen Lebens zur Zeit desselben.

    Liebe Grüße,
    Sabine

    Antworten
  2. Stefan B. Adorno Beitragsautor

    Hallo Sabine,

    zuerst meine Hochachtung dafür, dass Du Dich von den Archiven nicht beeindrucken lassen möchtest und nur Anerkennung in Deinem Leben zu erlangen suchst. Ich bin da nicht so gelassen.

    Und nun zu Deiner Frage, die ich mit einer kurzen Vorüberlegung beginnen möchte.

    Manche (zB Alain de Botton in „Statusangst“) meinen, dass die letzten 200 Jahre von der wachsenden Bedeutung der Meritokratie geprägt sind. Also, der Vorstellung, Anerkennung über Leistung und Verdienst zu gewinnen.

    Was habe ich also „geleistet“?

    Ich habe mich in den letzten 25 Jahren im Bereich der Kunst vorwiegend ihrer Rolle und Bedeutung in Bezug auf Netzwerke gewidmet. Sowohl analoger als auch digitaler Netzwerke (letzteres als Internet).

    Darin habe ich schon bestehende Fragen der Kunst im Hinblick auf ihre Ausprägung in Netzwerken untersucht und verschärft. Fragen nach der Modalität von Autorschaft, Urheberschaft, Originalität und Individualität. Sowohl theoretisch als auch praktisch; unter Netzbedingungen. Als Netzkunst.

    Thesenhaft verkürzt könnte ich sagen, dass ich dafür stehe, dass sich Autorschaft (oder überhaupt Wer spricht?) in der Kunst ohne Bezugnahme auf die Bedingungen des Internets nicht angemessen problematisieren lassen.

    Dafür hätte ich gern eine Professur (gehabt).

    Ob andere (deswegen) diese Berechtigung nicht haben oder empfinden sollten, kann ich nicht sagen.

    Was den akademischen Stellenmarkt angeht, kann ich nur folgendes feststellen. Netzkultur, Netztheorie, Netzkunst ist ein immer noch sehr kleiner Bereich verglichen mit zB Literaturwissenschaft. In der Kunst noch viel mehr. In Deutschland gibt es in etwa 200+ Kunstprofessuren. Vielleicht 5 davon, die irgendetwas mit Netz zu tun haben.

    Trotzdem gibt es viel mehr BewerberInnen als Stellen, die sich zum Teil aus benachbarten Feldern (eben der Literaturwissenschaft), teils auch aus dem Ausland speisen.

    Es herrscht handfeste Konkurrenz. Und es ist klar, dass sich damit auch Verhältnisse herausbilden, die mit dem ursprünglichen idealen Verdienst nicht mehr viel zu tun haben. Wer kann mit wem, etc. Dem hab ich mich nicht gewachsen gezeigt. So ists nunmal.

    Viele Grüße
    Stefan

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