Propädeutik der Konversationskunst

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Es kann durchaus auch lustig zugehen…

Nach den 5 Runden im Kunsthaus im letzten Oktober ein weiterer Versuch, das Wesen der Konversationskunst zu fassen. Im Museum für hamburgische Geschichte.

Sehr eindrucksvoll hatte Heidi den ersten Tagesordnungspunkt

“Wisse niemals, was du sagen wirst …“ Gültigen Diskurs meiden, offen auf die Situation zugehen, …

aufgegriffen, indem sie das Konzept des Meinens einführte. Philosophisch, wie auch im sozialen Umgang miteinander von einiger Brisanz.

Können wir wirklich sagen, was wir meinen?

Möglichkeiten zu versteckten Botschaften (den Kontext richtig deuten — „James, es ist kalt hier…“), Indirektheit, sogar Agressivität.

Auch das Spiel dazu passte gut. Mitteilungen in stumme szenische Gesten übersetzen und diese wiederum in Sätze deuten.

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Danach flachte die Veranstaltung leider ab. Als dann Antje wieder mit ihrem Spiel kam (Reime in Bilder, und Bilder in Reime übersetzen), hatte ich keine Lust mehr. Ich sah einfach nicht, wieso dieses Spiel das Gespräch „auf eine andere Ebene“ (Antje) bringen sollte.

Vielleicht ist es einfach so, dass ich bei allem Zuspruch zur Idee der Konversationskunst nicht alle Ausprägungen mittragen kann.

  

4 Gedanken zu „Propädeutik der Konversationskunst

  1. Sabine

    Hallo Stefan, hallo liebe Mitlesenden,

    Propädeutik der Konversationskunst

    Zu den Übungen kann ich relativ wenig sagen, aber ich finde schon alleine die Sensibilisierung spannend und wichtig.
    „Können wir wirklich sagen, was wir meinen?“
    Wir können immer nur versuchen, dicht dran zu bleiben und auf das dabei einzugehen, was das Gegenüber uns gibt, um die Bandbreite der Missverständnisse einzudämmen. Ich finde es schon eine Menge, was wir dabei „können“/“können könnten“, um uns einander verständlich zu machen.

    Heidis Aufgriff finde ich existenziell wichtig für’s fruchtbare miteinander-Reden; alles andere tötete jeglichen Austausch („Wisse niemals, was du sagen wirst…“). Ob man das auch verbal dauernd deutlich macht, indem man z. B. kein anderes Wort als „meinen“ verwendet, ist, denke ich, zweitrangig, wenn ich das „Konzept des Meinens“ richtig verstehe. Wichtig ist doch, dass man weiß, dass alle immer „nur“ „meinen“.

    Dass man nicht alle Ausprägungen von was auch immer mittragen kann, ist nachvollziehbar, weil jeder eben anders „funktioniert“ – und es muss ja auch nicht sein. Vielleicht wäre es im Gegenteil sogar so GAR nicht wünschenswert, weil das doch auch Lebendigkeit im Austausch tötete…

    Konversationskunst und Öffentlichkeit

    „Manifest“ finde ich zumindest als Begriff in diesem Zusammenhang hinterfragenswürdig!

    „Publikum“ wird hier wieder verstanden als lediglich konsumierende Masse/Personen, nehme ich an… ansonsten gefällt mir der Gedanke, dass alle Beteiligten dabei doch immer beides sind: Akteure UND Publikum.

    Das Verfahren des „Manifestes“ macht doch NUR SINN, wenn die Einzelstimmen nicht explizit gekennzeichnet sind 😉 . Wenn klar wäre, dass sich mehrere Personen widersprechen, würde man es als „normalen“ Diskurs zweier oder mehrerer je in sich gefestigter Meinungen ansehen. Ich fände spannend, wenn man bzgl. der Widersprüche die Reaktionen des Lesenden mitbekäme bzw. abschließend erfragen, am Ende den Charakter des Textes „outen“ würde. Ich finde die Idee eines solchen Textes klasse! Wie ich es mir vorstelle, bleibt man durch die Widersprüche wach, gerade wenn sie nicht in einen durchgehenden Text „passen“. Das Hinterfragen wird gefördert und gefordert; es ist schön, dass in meinen Augen dadurch aufgezeigt wird, dass es selten einen glasklaren Standpunkt geben kann oder es ihn nur in Ausnahmefällen manchmal geben muss; mir fallen hier spontan Menschenrechtsfragen ein.

    Ich finde die Unterteilung der Stellung des Gesprächs in der Gesellschaft in die genannten zwei Funktionen gar nicht nötig… „Gespräch“ setzt doch immer Verständigungswunsch voraus, oder…? Das wäre für mich die „Funktion“. Ich muss aber auch zugeben, dass mir die Vorstellung eines rein „formalen Gesprächs“ extrem schwer fällt…

    Konversationskunst – deliberieren

    Als ich dieses Protokoll las, kamen bei mir Fragen auf:

    Was ist Deine/Eure Definition? Gibt es eine relativ eindeutige?
    Würde es als „elitäre Kunstform“ Sinn machen? Würde IRGENDEINE elitäre Kunstform Sinn machen? Würde es überhaupt Sinn machen, wenn Menschen dabei ausgeschlossen würden, Wesen, die Konversation in diesem Sinne nur betreiben?
    Was wäre dann der Sinn?

    Konversationskunst – zweifeln
    Die Zeit des Aufschubs und der Verzögerung ist nötigerweise vergangene Zeit; in der Natur des Zweifels liegt, dass man sie nicht überspringen kann, um von A nach B zu kommen.

    Es können zwar mehrere Personen sozusagen „gemeinsam“ zweifeln, aber keine 2. Person wird es exakt so empfinden wie ich oder könnte meinen Weg der Entscheidungsfindung genau so gehen wie ich, daher würde ich dem Zweifel als individueller Erfahrung den Vorzug geben. Auch hier kann man sich nur austauschen und um gegenseitiges Verständnis bemühen.

    Die Frage, ob „die Fixierung [der Konversationskunst] auf Begriffe“ dienlich sei, wäre auch meine!

    Ich bin eher bei Descartes als beispielsweise bei David Hume. Es geht doch meist um Sachverhalte, nicht um das Zweifeln an sich, wobei ein „abschließendes Urteil“ über den Zweifel an sich indirekt dabei auch gegeben ist… was wäre aber der Sinn, ein Zweifeln, das sich aufdrängt, das man sich nicht vorher aussucht oder es bewusst „anwählt“, grundsätzlich und als solches anzuzweifeln?

    Ich bin auch bei Heidi, die einen „besonderen Ort des Zweifels im ästhetischen Urteil“ sieht.

    Wenn es den gibt – und es gibt ihn anscheinend bei bereits zwei Personen 😉 – warum SOLLTE ich dann „Kunst“ abschließend definieren, wenn diese Definition dann nicht jedweden kreativen Ausdruck zuließe. Ich frage wieder und wieder: warum ausschließen, wenn man einladen kann? Warum mit etwas, das allen Menschen gleichermaßen gehört, knapsen und handeln? Warum nicht hören und sehen wollen, dass die Urteile auf dem dazugehörigen Markt PERSÖNLICHE sind, aus PERSÖNLICHEN Interessen geboren und mit entsprechender Macht umgesetzt, und dass ich, indem ich ausschließe, einem anderen Menschen einen besonderen Augenblick (der zumindest theoretisch immer möglich ist) vorenthalte? Was gäbe mir/was gibt Dir, wem auch immer, das Recht dazu?

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  2. Stefan B. Adorno Beitragsautor

    Liebe Sabine,
    hab vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich sehe mich außerstande auf alle Deine Punkte einzugehen, – auch weil ich nicht immer sicher bin, was Meinung und was Argument ist.

    Ich möchte aber den letzten Punkt zum Ausschluß bedenken. Weil ich glaube, dass er Dir besonders wichtig ist.

    warum ausschließen, wenn man einladen kann?

    Wir befinden uns durch das Internet in einer Situation in der jegliche Äußerung zumindestens theoretisch umstandslos einer riesigen Anzahl von Menschen zugänglich gemacht werden kann.

    Das ist zweifelslos ein großer Fortschritt und positiv zu bewerten.

    Dennoch ist unsere Zeit (der Aufmerksamkeit) begrenzt. Mehr noch, unser Drang immer mehr zu wissen, schmälert die Chance jedes einzelne genauer zu sehen. Wenn ich in einem Jahr auf FB 100 Freunde habe, und im nächsten Jahr 200, dann bleibt rein rechnerisch für jeden nur noch die Hälfte der Zeit. Und so fort.

    Wir können gar nicht anders als selektieren. Ausschliessen ist nur ein böses Wort dafür. Es sind immer Verfahren möglich diesen Prozess abzumildern und transparenter zu gestalten. Wir sollten uns dessen bewusst sein und es versuchen. Grundsätzlich lösen lässt sich das nicht.

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  3. Sabine

    Lieber Stefan, liebe Mitlesenden,

    grundsätzlich finde ich es sehr schwer, auf einem Gebiet ohne wirklich festen Rahmen „Meinung“ und „Argument“ zu trennen. Ich würde es so ausdrücken, dass ich „mit Meinung argumentiere, da diese Meinung auf Erleben fußt“. So könnte man zu den angerissenen Punkten schon einen (Gegen-)Standpunkt haben und diesen ausdrücken; so versuche ich selbst auch zu antworten.

    Ich teile Deine Ansicht, dass man selektieren muss, immer und überall, und mache das selbst auch ständig. Aber ICH wähle doch dann aus einer Masse x aus. Du sagst ja auch nicht: ‚Danke, totalitäres System, dass du für mich vorauswählst; ich könnte der Masse der Informationen ja eh nicht Herr werden!‘ So ähnlich wählt der Kunstbetrieb aber aus, und DORT ist es ja auch gar nicht anders möglich. Deswegen trenne ich „Kunst“ und „Kunstbetrieb“ und sage, dass alles, was kreative Transformation ist, ohne fremde Vorauswahl BESTEHEN DARF. Ich werde längst nicht alles mitbekommen, und mit längst nicht allem wird ein innerer Dialog angestoßen werden, aber dann wäre es grundsätzlich MIT ALLEM und FÜR ALLE möglich.

    Viele Grüße,
    Sabine

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  4. Stefan B. Adorno Beitragsautor

    Ich möchte die Sache noch aus einem anderen Blickwinkel beleuchten, dem von Angebot und Nachfrage.

    Es gibt heute, durch das Internet, (ungefiltert) mehr Angebot denn je. Ob die Nachfrage oder schon die Rezeption dem gewachsen ist, ist zu bezweifeln. (Das durchschnittliche Youtube Video kommt auf kaum 500 Klicks!)

    Nun begegnet die Konversationskunst dem mit einem sehr radikalen Schritt. Auf dem Prinzip der Mutualität (Gegenseitigkeit) basierend, soll jedem Sprecher nur ein Hörer gegenüberstehen.

    Klar ist, dass daran nicht sehr viele Menschen gleichzeitig teilnehmen können. Das kann man exklusiv, vielleicht elitär nennen.

    Ein sehr starker Filter wird also einem Ereignis vorangestellt, das anschliessend dem Einzelnen maximale Aufmerksamkeit zuteil werden lässt.

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