Künstler-Bezahlung zerstört den Charakter

Kunst macht arm

Kunst macht arm

Dass Künstler für ihre Arbeit nicht oder nur schlecht bezahlt werden, ist eigentlich allgegenwärtig.

Doch selten habe ich eine Begründung dafür gelesen, die so offen zynisch daher kommt, wie in einem Artikel von Tilman Baumgärtel in der Berliner Zeitung.

Im Rahmen der Transmediale 2014 (Afterglow) findet ein „Art Hack Day“ statt, dessen Teilnehmer nur die nötigsten Unkosten erstattet bekommen.

Baumgärtel schreibt dazu wie folgt:

Obwohl man beim „Art Hack Day“ nur für Reisekosten, Kost und Logis arbeitet, wollten so viele jungen Künstler teilnehmen, dass die Zahl der Teilnehmer von ursprünglich 60 auf knapp 100 hoch schoss. Organisator [Olof] Mathé sieht das als Bestätigung des Konzepts, er glaubt sogar: „Würde man den Teilnehmern etwas bezahlen, würde das den ganzen Charakter des Events zerstören.“ Denn dessen spezieller Reiz bestehe gerade darin, dass man unter Gleichgesinnten spontan und ohne institutionelle Zwänge Technokunstwerke produzieren und sich gegenseitig inspirieren kann. [Quelle]

 

Bitte kein Geld

Ja, Geld korrumpiert bekanntlich. Besonders, wenn es in die falschen Hände gerät. Künstler, die bezahlt würden, verlören ihre Spontanität und Inspiration, – so legt es die Begründung von Olof Mathé nahe.

Und der Akt der Bezahlung bedeutete wohlmöglich einen „institutionellen Zwang“.

Wie mag das wohl die Bundeskulturstiftung auffassen, die als einer der Hauptgeldgeber der Transmediale auftritt?

Systemimmanent

Leider ist die ganze traurige Angelegenkeit kein Zufall, sondern dokumentiert nur ein System, das der holländische Ökonom Hans Abbing in seinem Artikel Vorschläge zur Bekämpfung der Künstlerarmut offen als Ausbeutung beschrieben hat:

Künstler sollten anderen, anstatt sich selbst die Schuld für ihren Mangel an Erfolg und ihre Armut geben. Nicht, weil andere nur unzureichend an der Kunst interessiert sind, zu wenig Geld für Kunst ausgeben oder Regierungen davon abhalten, mehr Unterstützung für Künstler bereitzustellen, sondern weil Künstler ein Teil eines Systems von Ausbeutung sind, das sie nieder hält.

Auch Kunstinstitutionen haben ein Interesse an Armut in der Kunst, weil sie den symbolischen Wert der Kunst und ihre geschmackliche Distinktion erhöht.

Besonders pikant und bedeutsam ist der Titel dieser Veranstaltung, die die Künstlerausbeutung rechtfertigt: „Art Hack Day“!

Da soll Kunst etwas hacken, oder ein Hack auf Kunst gründen oder in den Zusammenhang von Kunst stellen, – immer natürlich etwas anderes als die Kunst selbst.

Dabei wäre das tatsächlich mal ein Hack, wenn das System der Kunst, das von den allermeisten Künstler freiwillige Armut und Verzicht erwartet, selbst gehackt würde.

Träte das ein, wäre der „Art Hack Day [wirklich] unbelievable fun.“, wie Olof Mathé meinte.

Post Script

Zum Glück haben sich auf der Rohrpost-Liste, auf der der ganze Streich zu Tage kam, einige Menschen gefunden, die diese Praktik infrage stellten. Die Threads finden sich auf:

http://post.in-mind.de/pipermail/rohrpost/2014-January/thread.html

unter [rohrpost] Transmediale-Ankündigungstext Tilman Baumgärtel

sowie des weiteren unter:

[rohrpost] Re: rohrpost Nachrichtensammlung, Band 131, Eintrag 17

  

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